domenica 1 giugno 2014

Karlheinz Böhm: Trauriger Abschied für immer


Von PETRA KAISER

Karlheinz Böhm mit Almaz
Foto: Getty Images
Karlheinz Böhm mit seiner Frau Almaz.
Wir trafen Almaz Böhm (47) in dem Münchner Büro der „Menschen für Menschen“-Stiftung. Seit 21 Jahren ist sie die Frau an der Seite des großen Karlheinz Böhm, der diese Hilfsorganisation vor 30 Jahren gründete. Unvergessen ist seine legendäre Wette damals bei „Wetten, dass..?“. Seither kämpft er unermüdlich für die Armen in Äthiopien. Mit einer wunderbaren Frau an seiner Seite!
Frau Böhm, Sie haben vor einem halben Jahr den Vorsitz Ihres Mannes Karlheinz von „Menschen für Menschen“ übernommen. Wie ist Ihr Fazit?
Almaz Böhm: Es ist eine große Ehre für mich, dass ich die Arbeit weiter führen darf. Es gibt noch sehr viel zu tun und wir beginnen auch immer wieder mit neuen Projekten.
Sie meinen Projekte wie Borena, welches 2011 angeschoben wurde?
Almaz Böhm: Ja. Dort leben rund 300.000 Menschen. 2012 haben wir auch mit der Arbeit in Abune Gindeberet begonnen, wo 119.000 Menschen leben. Insgesamt haben wir damit zurzeit zehn sogenannte integrierte ländliche Entwicklungsprojekte und zwei Sonderprojekte, unter anderem in einem Kinderheim in West-Äthiopien.
Wie war der Übergang als alleinige Vorstandsvorsitzende? Ist die Verantwortung jetzt größer?
Almaz Böhm: Sie ist nicht größer geworden. Seit 2008 habe ich auch schon verantwortlich gearbeitet. Aber die Wahrnehmung von außen ist jetzt eine andere; die Menschen richten ihre Terminanfragen jetzt zum Beispiel schon ganz automatisch an mich und nicht mehr an meinen Mann. Aber die Arbeitsweise kenne ich schon seit Jahren.
Ihr besonderes Augenmerk richtet sich darauf, dass Mädchen eine gute Ausbildung bekommen, lesen und schreiben lernen...
Almaz Böhm: Ja, das ist ganz wichtig. Sie machen immerhin die Hälfte der Bevölkerung aus und sind am meisten benachteiligt – gesellschaftlich und traditionell. Deswegen ist es wichtig, dass Mädchen die gleichen Chancen wie Jungen haben. Sie sollen eine Schule besuchen und sich ausbilden lassen können. Frauen, die auf dem Land leben, sind nicht nur dazu da, um zu Kinder gebären. Wir fördern im Wirtschaftsbereich Kleinkreditprogramme und geben auch Kurse, damit die Frauen lernen mit Geld umzugehen.
Durch solche Aktivitäten verändert sich das Leben in den Dörfern sichtbar. Wenn zum Beispiel eine Frau mit einem Kreditbetrag ein kleines Geschäft eröffnet, dann können die anderen für ihren täglichen Bedarf einkaufen und müssen nicht immer warten, bis einmal pro Woche der Markt stattfindet. Die Hälfte der Bevölkerung in Äthiopien ist unter 18. Da steckt viel Potential drin. Für die jungen Leute müssen wir die Bildungschancen erhöhen – das ist für den Aufbau des Landes sehr wichtig.
Gleichberechtigung der Frauen – schafft man das?
Almaz Böhm (sie lacht): Das ist schon sehr schwer. Aber wir sind zuversichtlich, dass es eines Tages so weit kommt. Wir sind froh über jeden kleinen Schritt, den die Frauen machen. Besonders durch das Kleinkreditprogramm können Frauen einen besseren Platz in der Gesellschaft finden. Oft hat Karl mit Bäuerinnen (Erertal) unter einem Baum gesessen und diskutiert, ganz geduldig. Er liebte diese Meetings. Am Anfang kamen nur Bauern. Später kamen dann auch Frauen dazu, weil Karl das wollte, die Frauen darum bat. Die Männer haben dann anerkannt, dass auch Frauen dabei waren.
Das Wort von Karlheinz Böhm zählt mehr, als das vom Ehemann?
Almaz Böhm: Ja, ich glaube schon, aber nicht nur. Am Anfang musste er die Bäuerinnen extra dazu bitten. Heute kommen Frauen automatisch zu den Gemeinde-Meetings. Das sind kleine Schritte, und man kann das nicht mit europäischen Verhältnissen vergleichen. Aber es hat sich in den letzten 30 Jahren doch auch gesamtgesellschaftlich einiges verändert.
Wie ist denn die Gleichberechtigung zu Hause bei Karlheinz und Almaz Böhm?
Almaz Böhm: Die haben wir. Wir sind sehr eng verbunden – auch durch die Arbeit. Und auch jetzt ist er, obwohl er die Arbeit an mich abgegeben hat, immer für mich da. Wenn ich Rat brauche, nimmt er mich ernst, ist immer an meiner Seite. Er ist die treibende Kraft, die hinter mir steht.
Sie sind berufstätig und zweifache Mutter. Aida ist 19 und Nicolas 21. Plagt Sie manchmal das schlechte Gewissen?
Almaz Böhm: Natürlich habe ich nicht so viel Zeit, wie ich es mir wünschen würde. Aber wir führen seit Beginn unserer Beziehung ein solches Leben. Wir kennen es nicht anders, sind eine reisende Familie zwischen Europa und Äthiopien. Die beiden Kinder sind überall hin mitgekommen – bis es in der Schule ernst wurde. Dann haben wir uns räumlich trennen müssen: Mein Mann war mehr unterwegs, ich war für die Kinder da. Heute ist es umgekehrt. Die wenige Zeit, die wir miteinander verbringen können, leben wir intensiv. Jede Sekunde nutzen wir aus. Wir versuchen auch gemeinsam Urlaub zu machen. Dieses Jahr ist Äthiopien wieder unser Urlaubsziel.
Sie sagten mal flapsig: „Mein Mann hat immer das letzte Wort“...
Almaz Böhm (sie lacht): Das mit dem letzten Wort stimmt nicht so ganz! Wir sind zwei Menschen mit zwei Meinungen. Wir diskutieren natürlich auch sehr oft. Wenn er eine andere Ansicht hat, dann muss er mich überzeugen und umgekehrt. Wer ist schon immer einer Meinung?
Haben Sie ein Beispiel dafür?
Almaz Böhm: Über Kultur haben wir oft eine andere Ansichtsweise, etwa was die Unterschiede zwischen Europa und Äthiopien angeht. Mein Mann gibt mir die Möglichkeit, die europäischen Ansichten zu verstehen. Ich vermittele ihm die afrikanische Lebensart und Mentalität. Das ist eine wichtige Ergänzung in unserem Privatleben und auch für unsere tägliche Arbeit. Karl und ich begegnen uns mit sehr viel Respekt. Ich bewundere seine Lebensleistung, die er erbracht hat. Sein Engagement, ein plötzlich neues Leben zu finden und es so konsequent umzusetzen.
Karlheinz Böhm
Foto: Getty Images
Als Helfer der Armen fand Karlheinz Böhm seine Berufung.
Wie geht es Ihrem Mann Karlheinz Böhm?
Almaz Böhm: Es geht ihm Gott sei Dank sehr gut.
Er wird nächstes Jahr 85...
Almaz Böhm: Ja. Deshalb gönnen wir ihm Ruhe und er genießt das in vollen Zügen. Karl findet es toll, wie ich mich für die Arbeit engagiere. Er lässt sich über alles berichten, was ich so tue.
Wenn Sie unterwegs sind, wer kümmert sich um ihn?
Almaz Böhm: Eine Verwandte von mir lebt bei uns zu Hause und auch Freunde und Nachbarn sind immer wieder zu Besuch. Ansonsten braucht er niemanden, der ihn versorgt; er ist noch agil.
Wie oft sind Sie auf Reisen?
Almaz Böhm: Ich bin ein halbes Jahr in Äthiopien und ein halbes Jahr in Europa. Allerdings nicht am Stück, sondern jedes Mal sechs Wochen.
Skypen Sie mit Ihrem Mann?
Almaz Böhm: Wenn die Kinder in seiner Nähe sind, skypen wir. Karl hat es nicht so mit der Technik. In Äthiopien gibt es auch nicht überall Internet. Aber wir telefonieren fast jeden Tag.
Sind Ihre Kinder auch schon engagiert? Nicolas sagte mal: „Papa, wenn Du müde bist, mache ich ‚Menschen für Menschen’ mit Mama...“
Almaz Böhm: Das war schon sein Ziel, als er war noch klein war. Karl und mich freut dieser Wunsch sehr. Aber Nicolas ist noch jung. Er muss jetzt seinen Lebensweg finden. Wir möchten ihn auf keinen Fall beeinflussen. Aber wenn ihn sein Weg zu „Menschen für Menschen“ führt, freuen wir uns. Erst mal sind jedoch Schule und Ausbildung wichtig.
Studiert Nicolas?
Almaz Böhm: Noch nicht, aber er will im sozialen Bereich studieren.
Dann sind die Weichen schon gestellt?
Almaz Böhm: Das weiß man nicht. Jugendliche wechseln oft die Wünsche. Unsere Tochter Aida wollte von Anfang an Kindergärtnerin werden und ist dabei geblieben. Sie macht gerade ihre Ausbildung.
Ihr Mann sagte 2008: „Wenn es mit Übergabe so weit ist, werde ich keinen Moment zögern.“ Wann beschloss Karlheinz Böhm die Übergabe?
Almaz Böhm: Solche Momente gab es nicht. Mein Mann ist ein verantwortungsbewusster Mensch und hat sich schon viele Jahre Gedanken gemacht: Was wird aus meiner Arbeit, wenn ich sie nicht mehr so machen kann wie bisher?
Er hat lange überlegt und mich in den letzten Jahren bewusst eingeführt. Dann hat er gesehen, wie ich mich einbringe und engagiere. Er hat sich bewusst Gedanken gemacht, dieses Vertrauen, diese Arbeit, die er jahrelang aufgebaut hat, in gute Hände zu geben. Das ist nicht über Nacht gekommen.
Er ist auch jemand, der sehr gut in sich selbst hineinhören kann. Jeder kann verstehen, dass man mit 84 nicht mehr ständig reisen und nur aus dem Koffer leben kann. Die Reisen, auch innerhalb Äthiopiens, sind sehr anstrengend. Viele Autofahrten finden auf Schotterstraßen statt. Das sind schon schwierige Bedingungen, ebenso bei den Reisen innerhalb Deutschlands – mit ständig wechselnden Hotels. Nach 30 Jahren intensiver Arbeit spürt man das körperlich, selbst jüngere Menschen merken das.
Wann sehen wir ihn wieder? Wenn Markus Lanz „Wetten, dass..?“ übernimmt, sitzen Sie beide auf der Couch, treten gemeinsam auf?
Almaz Böhm: Ich kann nicht vorhersehen, was noch kommen wird. Aber wenn Markus Lanz mich einlädt, freue ich mich und komme gern.
Mit Ihrem Mann?
Almaz Böhm: Nein, er macht keine Auftritte mehr.
Warum nicht?
Almaz Böhm: Er hat sich ganz bewusst dafür entschieden, sich zurückzuziehen und mir das Tagesgeschäft von „Menschen für Menschen“ zu übertragen – dazu gehören auch die öffentlichen Auftritte und Medien-Termine.
Wie schaffen Sie es persönlich abzuschalten? Wie entspannen Sie?
Almaz Böhm: Das Schönste ist, wenn ich ab und zu mal am Wochenende zu Hause bin und lange ausschlafen kann. Keinen Wecker stellen zu müssen – das genieße ich. Meist schlafe ich dann so bis zehn Uhr.
Kochen Sie auch am Wochenende?
Almaz Böhm: Ja, sehr gerne europäisch. Ich versuche auch Freunde und Nachbarn einzuladen, weil mir soziale Kontakte sehr wichtig sind.
Gibt’s dazu auch ein Gläschen Wein?
Almaz Böhm: Ja, sicher, das ist entspannend. Ich trinke Weißwein, mein Mann liebt Rotwein. Es gibt übrigens Wein mit meinem Namen, den Karl zu seinem 80. Geburtstag geschenkt bekommen hat. Einen trockenen, blaufränkischen Rotwein und Grünen Veltliner.
Was ist, wenn Sie heute Abend nach Hause kommen. Was erwartet Sie?
Almaz Böhm: Mein Mann wartet auf mich, das ist immer sehr schön. Er weiß genau, wann ich komme, wenn kein Stau ist. Wenn ich klingele, freut er sich sehr, nimmt mir meine Tasche ab und dann setzen wir uns im Wohnzimmer und ich erzähle ihm, was ich alles gemacht habe.
Dann erzählen Sie ihm bitte auch, dass wir ihn vermissen!
Almaz Böhm: Das mache ich gerne. Er wird sich sehr freuen.
Stiftung Menschen für Menschen
Spendenkonto: 18 18 00 18
Stadtsparkasse München
BLZ: 701 500 00

Veröffentlicht in Das Neue Blatt


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